Bericht des Vereins Nepal Schulprojekt e.V. zum Jahresanfang 2024 oder welche Auswirkungen eine Obstplantage auf die nachhaltige Entwicklung eines Dorfes hat.
Am Anfang stand die Versorgung der Schul- und Kindergartenkinder des Vereins mit frischem Obst für das „gesunde Frühstück“. Dieses konnte auf Grund der Nachwirkungen der Corona-Pandemie nicht mehr preisgünstig gekauft werden. Mit einer längst verschollen geglaubten Obstwiese in der Nähe des Heimatorts Chelsa von Astrid Vöhringers kongenialer Partnerin Lobsang Dolma, wurde eine Alternative gefunden und mit dem Eigenanbau begonnen. 2023 lieferte diese Wiese bereits die zweite Obsternte für die Kinder.
Sie liefert aber noch viel mehr… aktuell bekommt der Verein über sein Engagement Einblicke in einen Ort, den man bei uns als „lost place“ bezeichnen würde. Wenn man die Zukunft der Menschen dort - und insbesondere der Kinder im Blick hat - dann bietet das Engagement des Vereins eine Chance für eine bessere Zukunft in diesem „tibetian settlement“.
2023 ist damit aus Chelsa ein weiterer Schwerpunkt der Aktivitäten des Vereins Nepal Schulprojekt entstanden. Die Rekultivierung und Erweiterung einer Obstplantage zur Versorgung der Kinder mit einem „gesunden Frühstück“ war Anstoß zur nachhaltigen Entwicklung eines Dorfes im Solokhumbu … aber wie gewohnt von Anfang an…
Über den Verein und die Historie seiner Arbeit in Nepal
Der Verein Nepal-Schulprojekt – Zukunft für Kinder – e.V. mit Sitz in Ebersbach/ Fils wurde im Jahr 2000 gegründet, um Kindern in Nepal – einem Land mit einer sehr hoher Analphabeten Quote - Bildung und die Aussicht auf eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Ziel des Vereins ist es, in einer sehr engen und auf Augenhöhe basierenden Zusammenarbeit mit lokalen Kommunen und hohen buddhistischen Würdenträgern, eine Entwicklung in Nepal anzustoßen, die stets auf Hilfe zur Selbsthilfe beruht und der Nachhaltigkeit verpflichtet ist.
Zwei wichtige regionale Schwerpunkte werden um einen dritten ergänzt
Der bisherige Schwerpunkt ist neben der Hauptstadtregion Kathmandu, wo der Verein Schulen, Kindergärten und Behindertenheime betreibt und unterstützt, seit 2006 die Region Humla im Nordwesten Nepals an der Grenze zu Tibet/ China. Das seit vielen Jahren geförderte Projekt „Yalbang/Kermi“ umfasst eine Schule für 400 Schülerinnen und Schüler, ein Hostel, sowie ein „Geburtshaus“ in Kermi, das als Gesundheitsposten die ärztliche Nahversorgung gewährleistet. Dort ist auch die Unterstützung von Müttern bei der Geburtshilfe ein wichtiger Tätigkeitsschwerpunkt und hilft bei der Verringerung der Kinder- und Müttersterblichkeit. Bis Ende 2023 sind trotz Widerstände der „Altvorderen“, die auf ihren Traditionen beharren und die Frauen zur Geburt in den Stall schicken (sie sind dann unrein…), über 20 Kinder gesund zur Welt gebracht worden.
Hier wurde 2022 ein Kindergarten in Betrieb genommen. Die staatliche Bildungsarbeit beginnt in Nepal erst mit der Einschulung und wird vom Verein durch die Einrichtung der Kindergärten ergänzt. Die Erfahrungen der Menschen vor Ort mit „Bildung“ zeigten ihnen, dass mit Bildung nicht früh genug begonnen werden kann….
Das Engagement des „Landrats“ Kumar Lama und die durch eine verbesserte Bildung angestoßenen Veränderungen bei den Menschen in der Region haben das Projekt „Humla“ zu einem selbsttragenden Prozess der Entwicklung werden lassen, das nur noch eine punktuelle Unterstützung des Vereins erforderlich macht.
2023 war dies die Unterstützung des Baus eines Frauen-Duschhauses für die Schülerinnen der Schule. Auch dieses Dusch- und Waschhaus ist Ausdruck der Entwicklung in Humla und seiner Bewohnerinnen. Die Investition des Vereins war überschaubar, weil das Haus überwiegend in Eigenarbeit erstellt wurde.
Welche Richtung die Entwicklung in Humla 2024 nimmt, darüber wird auch die kommende Zeit entscheiden: Humla ist weiterhin von den anderen Landesteilen Nepals nur in einem beschwerlichen Drei–Tages–Marsch zu erreichen. Aktuell wird an einer Straße gebaut, die Tibet und damit mit China mit der Region verbinden wird. China will seinen Einfluss nach Süden ausbauen.
Obst für die Kinder in Schulen und Kindergärten aus Chelsa
Seit einigen Jahren bekommen die Kinder in den Schulen und die durch den Verein finanzierten Kindergärten, regelmäßig ein gesundes Frühstück mit Obst, insbesondere Äpfeln, zu essen. Das gesunde Frühstück trägt dazu bei, dass sich Kinder besser entwickeln und widerstandsfähiger werden. Es bringt Abwechs-lung in die „normale“ Ernährung einer nepalesischen Familie, da diese sehr einseitig auf Reis und Linsen (Yalbang) ausgerichtet ist.
Allerdings zeigte sich im Lauf der Zeit, dass der Kauf von Äpfeln und anderem Obst, sowie eine flächendeckende Verteilung in allen Schulen und Kindergärten, die finanziellen Ressourcen des Vereins sehr belastet. Einer guten Idee drohte der Garaus…. was tun?
Im Distrikt Solukhumbu liegen nicht nur die bekannten 8.000er Nepals. An einem Hang in 2.700 Meter Höhe, unterhalb der Flugrouten zu den bekannten Ausgangspunkten für das Trecking zum Everest-Basecamp in Phaplu und Lhukla, liegt Chelsa, die Heimatgemeinde von Lobsang Dolma. Als erfolgreiche Unternehmerin und nepalesische Partnerin von Astrid Vöhringer ist sie von unschätzbarem Wert für den Verein vor Ort. Chelsa war Ende der 50er Jahre als „tibetian settlements“ gegründet worden. Angelegt als „kleines Ökosystem“ mit Tempel, Kloster, Schule, Teppichfabrik und Einkaufs-möglichkeiten wurde der Ort für 1.500 Tibeter zur neuen Heimat. Lobsang Dolma erinnerte sich, dass nahe beim Dorf damals auch Obstplantagen für die Eigenversorgung der Bewohner angelegt worden sind.
Einen Besuch von Astrid Vöhringer im Oktober 2021 nutzten die beiden Freundinnen, suchten und fanden die alte Obstplantage. Allerdings waren die Bäume jahrelang unbeschnitten und das Gelände komplett zugewachsen. Aus Mitteln des Vereins wurden 20 Bewohner aus dem Dorf zur Rodung des Unkrauts und Pflege der 800 Apfel- Pfirsich- und Pflaumenbäume „angestellt“. Zusammen mit einem vom Verein angestellten Verwalter und den Mönchen des nahegelegenen Klosters konnten weitere Flächen identifiziert werden. 2022/23 wurden weitere 2.000 Obstbäume gepflanzt. Zur Finanzierung dieser Bäume wurde eine neue Idee eingeführt. Mitglieder, Freunde und Gönner des Vereins können Baumpatenschaften von € 25,-- je Baum übernehmen. Damit konnten 2023 über 200 Obstbäume finanziert werden.
Baum Nr. 1 erhielt Marie Pollety aus Holzheim als Geschenk zur Erst-kommunion.
Die erste Ernte 2022 wurde mit Spannung erwartet. Nahezu wöchentlich wurden Bilder von Nepal nach Ebersbach geschickt. Dann war es so weit: Pfirsiche und Pflaumen und später auch die ersten Äpfel konnten auf die 12-stündige Autoreise von Chelsa nach Kathmandu zur Weiterverarbeitung geschickt werden.
Allerdings zeigte sich auch schnell, dass 20 Jahre der Nichtbewirtschaftung keine „Traumfrüchte“ hervorbringen. Für den Genuss waren die Früchte zu klein und zu sauer. Die Kreativität des Vereins wurde auch mit dieser Herausforderung fertig. Aus den Äpfeln entstand nach einem schwäbischen Hausrezept das erste in Nepal produzierte Apfelmuss, welches von den Kindern heute mit großem Genuss verzehrt wird. Allerdings reicht die Menge noch nicht aus, um den gesamten Bedarf zu decken, aber ein Anfang war 2022 gemacht…
Die Entwicklung des Projektes „erste nepalesische Streuobstwiese“ 2023
Im November 2022 wurden die Bilder von der Obstwiese schwäbischen Obstbauern und -verarbeitern zur Begutachtung vorgelegt. Ihr Urteil war sehr positiv - sehr gesunde Bäume, professionell geschnitten und die Umgebung der Bäume gut bearbeitet. Ein Gespräch mit Jörg Geiger in Schlat, dem Erzeuger der weitbekannten Schaumweine auf Obstbasis (PriSecco u.a.), führte zu Empfehlungen, was unter den Obstbäumen angepflanzt werden kann, damit die Bäume schneller und besser wachsen. Daraus wurde eine weitere Geschäftsidee – Karotten, Kartoffeln u.a. sind nicht nur ideale Begleiter der Obstbäume, sondern auch weitere Einnahmequellen für den Ort.
Alle waren gespannt auf die Ernte 2023. Auf Grund des professionellen Schnitts fiel sie mengenmäßig geringer aus, aber was viel wichtiger war: die Qualität ist so gut, dass die Äpfel jetzt gegessen werden.
2023 wurde das erste Gemüse geerntet und im ersten „Pop Up – Store“ von Kathmandu als Biogemüse unter der Leitung von Lobsang Dolma verkauft. Diese Idee wird 2024 ausgebaut.
Die Apfelplantage gibt einem Teil der Bewohner von Chelsa Arbeit und verschafft ihnen Einkommen, welches dann wieder im kleinen Dorfladen für Einkäufe eingesetzt wird. Zusätzlich lieferten die 50% Apfelproduktion, die der Ort im Herbst bekommt, Ansatzpunkte für weitere Einkünfte. Der Verein finanzierte eine Presse zur Weiterverarbeitung der Äpfel. Allerdings zeigt sich dabei auch ein großes Problem im Ort: der Umgang der Menschen mit dem neuen „Reichtum“ (Obst und Gemüse) ist unbekannt und die Eigen - Energie zur Verbesserung der Situation muss entwickelt werden. Daran wird der Verein 2024 arbeiten.
Damit weitere Menschen ein regelmäßiges Einkommen beziehen können, hat Lobsang Dolma einen Teil ihrer Teppichproduktion von Kathmandu nach Chelsa verlegt und damit eine alte Tradition wiederbelebt. Die ersten Teppiche und Tischläufer konnten 2023 auf den Weihnachtsmärkten in der Region Göppingen/Esslingen verkauft werden.
Trotz aller Bemühungen sind auch heute noch die Verhältnisse in Chelsa bedrückend rückständig und für unsere Begriffe trostlos. Zwei weitere Schwerpunkte der Aktivitäten von Astrid Vöhringer und ihrer Freunde waren aus diesem Grund 2023, die Verbesserung der Wohnsituation der Einwohner und die Steigerung der Attraktivität des Schulbesuches.
Der Schulbesuch wird attraktiver durch eine warme Mahlzeit für die Schülerinnen und Schüler
Auf diese einfache Formel lässt sich dieses Thema bringen. Teil einer Zukunft für den Ort ist die Schule. Neben einer sukzessiven Modernisierung und Ausstattung mit Lern- und Schreibmaterialien ist es die Aussicht auf eine warme Mahlzeit, die Eltern und Kinder zum Schulbesuch motiviert.
Aus diesem Grund errichtete der Verein durch eine der höchsten Investitionen in seiner 25-jährigen Geschichte eine zentrale Küche für das Kloster, in dem dann auch für die Schüler der Schule in Chelsa gekocht wird. Warum im Kloster und nicht direkt an der Schule? Die „Kontrolle“ durch die Mönche und der große Einfluss der Institution „Kirche“ (Buddhismus) garantieren die Nachhaltigkeit der Maßnahme.
Durch großartige Spenden aus Deutschland u.a. vom Rotaryclub Göppingen und die tätige Hilfe von einheimischen Handwerkern vor Ort entstand innerhalb kurzer Zeit eine Küche und ein beheizter Gemeinschaftsraum für die Mönche. Jetzt bekommen die Mönche und die Schüler jeden Tag eine warme Mahlzeit – Anreiz zum Schulbesuch… 😊
Kleine Anekdote am Rande: ein deutscher Schreiner, der helfen wollte, kam zu spät. Da war alles schon fertig. Er zimmerte anstelle dessen einen großen Tisch als Geschenk zur Eröffnung der Küche und übergab diesen den Mönchen. Über Nacht zimmerten seine nepalesischen Kollegen einen weiteren und übergaben diesen auch… da wollten sie dann nicht zurückstehen… 😉
70 Koch - Öfen bedeuten weniger Krankheiten und warme Häuser in Chelsa
Eine weitere große Herausforderung ist die Koch- und Heizsituation in den Wohnhäusern im „Settlement“. Traditionell verfügen die Kochstellen, die auch als Heizung genutzt werden, über keinen Abzug nach außen.
Das bedeutet, dass in Nepal die Kohlenmonoxid-Vergiftung eine häufige Todesursache ist und Krankheiten wie Bronchitis und Asthma weitverbreitet sind.
Bereits Mitte des Jahres führten die Verantwortlichen des Vereins Gespräche mit Guido Eichel, Vorstandsmitglied der HAGOS eG, der Einkaufs- und Dienstleistungsgenossenschaft der Kachelofen- und Luftheizungsbauer im deutschsprachigen Raum. Dieses Unternehmen hatte bereits Erfahrung mit der Unterstützung beim Bau von Öfen in Afrika und Nepal gesammelt. Diese hatten es Menschen ermöglicht sich unter Anleitung diese selbst zu bauen. Leider konnte dieses Projekt, welches prima zum Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ des Vereins Nepal Schulprojekt e.V. gepasst hätte, in Chelsa nicht realisiert werden. Die Höhenlage von 3.000 Meter und die große Kälte von bis zu – 15 Grad hätten die Selbstbaufähigkeiten überfordert.
Umso größer war die Freude bei allen Beteiligten über eine großzügige Spende der HAGOS eG kurz vor Weihnachten: € 10.000,-- für den Kauf von 70 eisernen Koch- und Heizöfen, die bei einem Handwerker vor Ort erworben und umgehend bei den bedürftigsten Familien eingebaut wurden.
Was wird 2024 bringen?
Die Arbeit in Chelsa wird nicht ausgehen. Aus den Berichten dieses und der vorherigen Jahresberichte wird deutlich: eigentlich war es nur ein Obstwiese und das Ziel der Versorgung der Kinder in Kathmandu mit frischem Obst, welches den Verein nach Chelsa geführt hat und jetzt… je intensiver sich der Verein mit dem Ort beschäftigt, desto umfangreicher werden die Themen. Weil eben auch eines ins andere greift, wenn man Entwicklung nachhaltig denkt…
2024 werden nicht nur die Anstrengungen fortgesetzt werden müssen, dass die Dorfbewohner in der Plantage und in der Teppichfabrik ein festes Einkommen beziehen können. Aktuell wird immer noch mit deutschen und nepalesischen Spezialisten die Idee der „Gründung einer Genossenschaft durch die Frauen im Ort“ zu Ende gedacht. Diese soll dazu dienen, dass im Ort wirtschaftliche Strukturen zur Verarbeitung und dem Vertrieb der im Ort produzierten Güter entstehen. Aus der Ernte 2023 sind 2 Tonnen Obst im Ort verbleiben und Einnahmen aus dem Verkauf von Gemüse realisiert worden… allein das ist eine Herausforderung für Menschen, die bisher ausschließlich für den Eigenbedarf wirtschafteten. Sie schafft aber auch Begehrlichkeiten bei den „Ortsoberen“ und auch internationale Institutionen sind sich nicht zu fein, Ihr Interesse für einen Anteil anzumelden.
Ziel des Vereins ist es, dass die Werte, die im Ort geschaffen werden, der Gemeinschaft im Ort zugutekommen. Den Anschub liefert der Verein Nepal Schulprojekt e.V., aber die „Hilfe zur Selbsthilfe“ steht über allem.
Sie sehen, die Arbeit geht nicht aus. Ziel ist es weiterhin dem „tibetian settlement“ Chelsa beim Weg in eine nachhaltige Zukunft zu helfen. Vielleicht wird dort, wie bei anderen Projekten des Vereins, eine Entwicklung angestoßen, die Vorbild für Nepal ist.
Wir möchten uns am Jahresanfang 2024 bei allen Mitgliedern, Freunden, Gönnern und Sponsoren für die Unterstützung sehr herzlich bedanken. Wir wissen jeden Beitrag zu schätzen und danken für die teils jahrzehntelange Treue zum Verein und seiner Aktivitäten.
Weitere Informationen zum Verein finden Sie auf unserer Website: www.Nepal-Schulprojekt.info. Wenn Sie Fragen haben, beantwortet Ihnen diese die erste Vorsitzende des Vereins, Astrid Vöhringer gerne. Sollten Sie spenden oder ein Apfelbaum-Pate werden wollen… sehr gerne auf unser neues Konto bei der Kreissparkasse Göppingen IBAN DE63 6105 0000 0049 1201 47 BIC GOPSDE6GXXX.
Vielen Dank für Ihr Interesse – Namaste
Ebersbach, den 15.1.2024
Astrid Vöhringer Stephan Vomhoff